museOn forscht: Museen und Universitäten – Orte des Wissens im Austausch
Internationale Forschungs- und Netzwerktagung von museOn | weiterbildung & netzwerk an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg vom 25. bis 26. Februar 2016
museOn forscht: Museen und Universitäten – Orte des Wissens im Austausch war Titel und Thema der ersten Tagung von museOn | weiterbildung & netzwerk an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und bildete als solches die große Klammer um das Programm der Tagung.
Museen und Universitäten – zwei große Institutionen des Wissens in der Gesellschaft. Was ist Ihnen gemeinsam? Was unterscheidet sie essentiell? Wo ergänzen sie sich? Und wo ist eine Verknüpfung vielleicht verloren gegangen?
Für viele Bereiche musealer Arbeit ist ein akademisches Studium Voraussetzung, viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten wissenschaftlich, aber viele benötigen Kompetenzen, die nicht an der Universität erworben werden.
Museen haben Bestände, die längst nicht erforscht sind und mit den eigenen personellen Ressourcen nicht aufgearbeitet werden können. Die Kenntnis über die eigene Sammlung ist aber die Grundlage um sie an ein Publikum aller Bildungsebenen zu vermitteln.
Museen, aber auch Universitäten, befinden sich ständig im Wandel. Die vernetzte Welt stellt besondere Herausforderungen und bringt an manchen Stellen Trennungen hervor, über die man sich wundern kann.
Auf der Tagung Museen und Universitäten – Orte des Wissens im Austausch im Februar 2016 waren die Panels thematisch zugeordnet und 3 Referentinnen und Referenten aus unterschiedlichen Institutionen haben aus unterschiedlichen Perspektiven auf das Thema in ihrem Arbeitsalltag Bezug genommen.
Für die Publikation wurden die Beiträge drei Bereichen zugeordnet.
Diskurse
Kulturelle Teilhabe durch Kulturelle Bildung
Wolfgang Schneider (Hildesheim) konzentrierte sich in seinem Vortrag auf das Recht auf kulturelle Bildung und betonte so die Relevanz des Konzepts des deutschen Kulturstaats und der daraus hervorgegangenen Breite an Institutionen. Er kritisierte, dass das Recht auf kulturelle Bildung damit kollidiere, dass die Ausgaben für Kultur als freiwillige Gabe definiert wären.
„It’s Complicate.“ Umstrittene Objekte in musealen Sammlungen
Sarah Fründt (Freiburg) nahm sich den grundsätzlichen Fragen um sensible Objekte im Museum an, beleuchtete verschiedene Herangehensweisen und dafür benötigte Netzwerke. Sie befürwortete die grundsätzliche systematische Erforschung von Sammlungen in Bezug auf Ihre Provenienz als Basis der Forschungs- und Ausstellungsarbeit und warb dafür, entsprechende Grundfinanzierungen zu schaffen. Als kooperative Forschung erfolge die Provenienzrecherche idealerweise im Austausch mit Herkunftsgesellschaften und anderen Sammlungen, wobei Standardisierungsprozesse Datenaustausch und Dialoge erleichtern könnten. Sie betonte, dass Rückgaben von sensiblen Objekten dabei nicht immer die einzige angemessene Lösung wären. Fründt sprach sich wie van Mensch für einen veränderten Blickwinkel in Bezug auf Sammlungsobjekte aus: Guardianship statt Besitztum.
Carry on Curating? The future for curators, research and exhibitions
Kevin Moore (Manchester) analysiert die derzeitige (Selbst-)Wahrnehmung von Ausstellungen und Kuratoren und stellte Überlegungen zu der Frage Was ist ein gutes Museum? an. Bezugnehmend auf die Ausdifferenzierung der Museumsberufe kritisierte Moore die Ansprüche der jeweiligen Professionen und betonte, dass Ausstellungen nicht einzig der internationalen Anerkennung von Kuratoren oder Designern unter Kollegen dienten. Gleichzeitig betonte er, wieviel Forschungsleistung einer jeden Ausstellung innewohnt und appellierte daran, das PhD durch die Entwicklung und Realisierung von Ausstellungen zu ermöglichen.
Das soziale Museum. Momentaufnahmen einer Rezeptionskultur im Wandel
Ulrike Keuper (München) diskutiert neue soziale Praktiken im Museum: verwaiste Selfie-Points, Gedrängel mit Smartphones vor Originalen. Keuper deutet die veränderte Rezeptionskultur, die durch die Kraft der sozialen Netzwerke bestimmt würde, als kreative Teilhabe und eine neue Art von Dialog mit Kunstwerken. Kulturpessimistischen Überlegungen stellte sie die These entgegen, dass die Popularität von Art-Selfies eindrückliches Statement für die Kraft des Originals wäre.
Universitatssammlungen: Ressource, Instrument, Labor
Cornelia Weber (Berlin) führte grundlegend in die Arbeitsweise und Struktur der seit 2012 vom BMBF finanzierten Koordinierungsstelle für wissenschaftliche Universitätssammlungen in Deutschland ein, die seitdem als Servicestelle für Qualitätssicherung, Vernetzung und Digitalisierung agiert. Die Servicestelle berät damit laut Weber Sammlungen, die nach wissenschaftlichen Prinzipien aufgebaut wurden, oft nur auf Anfrage zugänglich sind und ohne museumspraktisches Know-How betreut werden müssen. Wichtiges Ziel wäre folglich, ein neues Selbstverständnis für die Nutzung von Universitätssammlungen zu schaffen: innerhalb der Universitäten, um sie als Lehr- und Forschungseinrichtungen intensiver zu nutzen, aber auch für die Öffentlichkeit und als Vernetzungsorgan um als „science communication“ Universität und Stadt in einen besseren Austausch zu bringen.
Museology, museum studies or heritage studies? International perspectives on the study of museum work.
Peter van Mensch eröffnet internationale Perspektiven und stellt in Frage, dass von Museumswissenschaften im Plural und von Museumspraxis im Singular gesprochen werde. Er plädiert für eine Umkehr und beleuchtet die Beziehung von „subject matter disciplines“ und „support disciplines“ wie den Museumswissenschaften. Van Mensch befürwortet die Unterscheidung zwischen Museumswissenschaft als akademische Perspektive über Museen und Museology als praxeologische Wissenschaft und erläuterte den Begriff „Heritage Studies“, da Institutionen wie Gedenkstätten und Bibliotheken ähnliche Aufgaben und Herausforderungen hätten wie Museen. Eine intensivere Reflexion über zentrale Begriffe wir „audience“ oder „user“, „ownership“ und „guardianship“ wäre wünschenswert, da sich in diesen Begriffen verschiedene Perspektiven auf Museumskonzepte und ihre Rolle in der Gesellschaft wiederspiegeln würden.
Best Practice
3D Imaging Technology in Museums
Tonya Nelson (London) erläutert die Entwicklung der Datenbank 3D Petrie, in deren Rahmen Objekte des Petrie Museum of Egyptian Archaeology zur dreidimensionalen Rundumansicht in der Datenbank bereitgestellt werden. Die Datenbank entstand aus einem Projekt mit dem Engineer Department, dass seine 3D-Scanner verbessern wollte. Diese Synergie führte dazu, dass das Petrie Museum mit digitalen 3D-Ansichten neue Forschungsmethoden entwickeln konnte und die Datenbank außerdem nutzt, um die Analysefähigkeiten von Studierenden zu trainieren und neue Vermittlungsformate zu entwickeln. Die Statistik zeigt, dass sich 50 % der Online-Nutzer außerhalb Großbritanniens befinden, das Museum hat seine Nutzergruppe erheblich erweitert.
Inventing the Digital Rijksmuseum
Martijn Pronk () berichtet über die Strategien des Projekts „Rijksstudio“ des Rijksmuseum Amsterdam. Das Bereitstellen einer Sammlungsdatenbank mit hochauflösenden Bildern war Teil der Kommunikation zur Wiederöffnung des Rijksmuseums und sorgte durch seine partizipative Konzeption zu persönlichen Bindungen zum Rijksmusem weltweit. Der Anziehungskraft des Originals im digitalen Zeitalter ist sich Pronk genauso sicher wie Keuper.
Ausstellungen mit Studierenden realisieren
Frank Duerr (Tübingen) analysierte die Möglichkeiten mit Studierenden Universitätssammlungen zu erforschen und in Ausstellungen für die Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Das Museum der Universität im Schloss Hohentübingen gilt als Best-Practice Beispiel für Ausstellungen mit Studierenden. Duerr plädiert für den großen Pool mitarbeitender Studierender, um so als Universitätsmuseum besser in die Universität hineinwirken zu können. Die Digitalisierung der Sammlungen ist ein zweites Projekt, bis 2020 soll ein Zentraldepot mit Schaudepot entstehen.
Methoden & Strukturen
Museumsmanagement im Wandel. Welchen Beitrag kann die Balanced Scorecard dazu leisten?
Michaela Conen (UdK Berlin) stellte die Balanced Scorecard als mögliches Instrument für die Bemessung von Museen bzw. Teilprojekten vor. Die Verknüpfung von strategischer und operativer Ebene sowie die Entwicklung eines Systems um sogenannte harte und weiche Faktoren zu verbinden, böte Museen die Möglichkeit Management-Methoden sinnvoll auf die eigene Arbeit zu übertragen.
Objektdatenbanken in Museen und Forschungseinrichtungen: zwischen Bestandsnachweis und Tiefenerschliessung
Barbara Fichtl (Marburg) führt in grundlegende Überlegungen zu Museumsdatenbanken und in die Relevanz von Standardisierungsprozessen ein. So stellte sie u.a. das Datenformat Lightweight Information Describing Objects (LIDO) vor, das der Übermittlung und Verknüpfung von Metadaten, wie z.B. in der Deutschen Digitalen Bibliothek, dient.
Aura or Reproduction – Museums in a Digital Image Culture
Selma Thomas (Washington D.C.) berichtete aus dreißigjähriger Erfahrung in der Entwicklung von Ausstellungsmedien und über den aktuellen Stand bei der Entwicklung derselben für den neuesten Bau der Smithsonian Institutionen: das National Museum of African American History and Culture, das im September 2016 eröffnet wurde.
Per Mausklick zuruck ins Mittelalter. Das Interreg-Projekt „Archivum Rhenanum. Archives numerisees du Rhin superieur – Digitale Archive am Oberrhein“
Hans-Peter Widmann (Freiburg) sprach über das binationale und bilinguale Kooperationsprojekt „Archivum Rhenanum. Digitale Archive am Oberrhein.“ Er verwies auf die Besonderheiten und Eigenarten, die die Erstellung einer grenzübergreifenden und mehrsprachigen Datenbank mit sich bringen. Fehlende Standards, aber auch unterschiedliche Verwaltungsstrukturen und Vorgehensweisen, sowie bestimmte Regelungen von EU-Förderungen erforderten besondere Strategien, um das Projekt im Sommer 2016 zum Abschluss zu bringen – mit dem Wunsch über die EU-Drittmittelfinanzierung eines Tages auch die Bestände aus dem 19. und 20. Jahrhundert zu digitalisieren und zugänglich zu machen.
Erkenntnisgewinn durch Kooperation. Chancen in der Zusammenarbeit zwischen den Landessammlungen Niederosterreich und der Donau-Universitat Krems
Armin Laussegger (Krems) stellte die noch sehr junge gemeinsame Verwaltungsstruktur mit den Niederösterreichischen Landessammlungen vor. Das an der Universität verankerte Zentrum für Museale Sammlungswissenschaften dient der Erschließung und Erforschung der Sammlungen, die in den niederösterreichischen Museen bewahrt und ausgestellt werden.