(von Dorthe Hutz-Nierhoff) Es gibt viele Anlässe, ein Netzwerk zu gründen oder sich einem Netzwerk anzuschließen. Nach dem Prinzip „Gemeinsam sind wir stärker“ stehen häufig die gemeinsame Entwicklung, die Produktion und der Vertrieb von Erzeugnissen und Dienstleistungen im Vordergrund. Auch Synergieeffekte zur Kostensenkung für Forschung und Entwicklung werden gerne als Vorteil genannt. Vor allem aber bündeln und erweitern Netzwerke das Wissen und die Erfahrungen vieler und bilden damit die Grundlage für Innovationen, wodurch wiederum die Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der Netzwerkmitglieder gestärkt wird. Der Artikel basiert auf dem Vortrag von Dorthe Hutz-Nierhoff, den sie am 6. September 2018 auf der internationalen ILIAS-Konferenz in Luzern gehalten hat.
Wir fühlen uns vermutlich alle als Teil eines oder mehrere Netzwerke, von Kooperationen respektive Initiativen und praktizieren Netzwerkarbeit in ganz unterschiedlichen Kontexten, sei es beruflich oder privat. Vorwiegend geschieht dies heute digital unterstützt, z.B. mithilfe von Portalen wie Xing, LinkedIn, Facebook oder aber – wie bei museOn – auch mithilfe eines „Integrierten Lern-, Informations- und Arbeitskooperationssystems“, also mit ILIAS:
Auch wenn ILIAS vorwiegend als Lernplattform bekannt ist, besitzt das System weit mehr Potenzial und kann daher auch für ganz andere Zielsetzungen sehr gewinnbringend eingesetzt werden, z.B. als Plattform für ein Netzwerk, eine Community oder eine lernende Organisation. Hier wird nicht nur die Kontaktaufnahme von Kurs- bzw. Gruppenmitgliedern untereinander ermöglicht, sondern auch der Austausch von Wissen und Erfahrungen, das gemeinsame Arbeiten an Aufgaben und Projekten, womit ein informelles Lernen voneinander und miteinander verknüpft ist.
Mit seinem programmatischen Namen war ILIAS seiner Zeit voraus, denn der Trend im Bereich Learning & Development hin zur Lernkonzeption eines sogenannten Social Workplace Learning (vgl. Erpenbeck/Sauter 2016) ist noch relativ jung. Man geht dabei davon aus, dass Lernen immer dann ausgelöst wird, wenn im Kontext der Arbeit eine neue Herausforderung gelöst werden soll, für die bestimmtes Wissen bzw. bestimmte Kompetenzen benötigt werden. Damit einhergehend verändert sich auch die Lernkultur, denn Mitarbeiter sind zunehmend selbst für ihre Lernprozesse verantwortlich. Sie definieren ihre Kompetenzentwicklungsziele und organisieren eigenverantwortlich nicht nur ihre Arbeits-, sondern auch ihre Lernprozesse:
Beim Social Workplace Learning werden alle Lernbereiche, von der formellen Weiterbildung über das Lernen im Netzwerk (Social Learning) bis zum informellen Lernen im Prozess der Arbeit (Workplace Learning), einbezogen und verknüpft. Damit wird kollaboratives Arbeiten und Lernen ermöglicht, Netzwerkbildung gefördert und der individuelle, selbstorganisierte Kompetenzaufbau der Mitarbeiter unterstützt:
Wie spiegelt sich nun der Ansatz des Social Workplace Learning im didaktischen Design von museOn wider, und inwiefern wird Lernen im Netzwerk mit ILIAS ermöglicht?
Das Leitbild von museOn sieht u.a. vor, Lernenden über eine digitale Community eine aktive Beteiligung an der Entwicklung des „Museums der Zukunft“ zu ermöglichen. Daher baut museOn seit 2015 fachübergreifend ein Netzwerk innerhalb und außerhalb der Universität auf. So sollen Studierende und Dozierende, Museum und Universität vernetzt und der Austausch auf allen Ebenen der Museumsarbeit gefördert werden. Ähnlich wie bei der Entwicklung von Kursangeboten ist auch die Bildung dieser digitalen Community ein dynamischer Prozess, in dem ganz verschiedene Bausteine zum Tragen kommen:
Eine tragende Säule des museOn-Netzwerks bildet die Homepage mit dem Community-Blog als zentralem Element, in dem Autor_innen aus dem Team, aber auch Gastautor_innen zu aktuellen Themen der Museumsarbeit sowie der Weiterbildung schreiben. Gleichzeitig wird Twitter als primärer Social-Media-Kanal seit März 2015 mit derzeit fast 1000 Tweets und mehr als 1500 Followern sehr aktiv bespielt. Darüber hinaus betreiben alle Teammitglieder intensive Netzwerkarbeit über persönliche Kontakte, Tagungsbesuche, die Organisation von (bislang zwei eigenen) Fachtagungen in Freiburg sowie via beruflicher Netzwerke wie LinkedIn bzw. Xing.
Die zweite Säule der digitalen Community bildet das Weiterbildungsangebot von museOn selbst: Der Konzeption der Lernangebote von museOn liegt eine konstruktivistische Didaktik zugrunde, bei der Lernen als aktiver, selbstgesteuerter, konstruktiver, sozialer und emotionaler Prozess verstanden wird. Gelernt wird anhand authentischer Probleme, in multiplen Kontexten, unter vielfältigen Perspektiven, in einem sozialen Kontext und mit instruktionaler Unterstützung. Die Lernangebote sind grundsätzlich diskursiv konzipiert, d.h. es wird eine intensive Kommunikation der Teilnehmenden untereinander sowie mit Tutor_innen und Dozierenden angestrebt. Dabei wird eine Vielzahl synchroner und asynchroner Möglichkeiten der Kommunikation und der Kollaboration genutzt.
Zur kollaborativen Konstruktion von Wissen werden häufig innerhalb eines Kurses Kleingruppen gebildet, die gemeinsam eine Aufgabe bearbeiten, dazu Objekte wie ein eigenes Forum, ein Etherpad, einen Upload-Ordner zur Verfügung haben und in dem Zuge ganz beiläufig auch die Kompetenz zum Arbeiten in virtuellen Teams erwerben. Zertifikatsstudierende schließen ihr Studium mit einer Projektarbeit ab, in der sie ihre erworbenen Erkenntnisse auf eine Herausforderung bzw. Weiterentwicklung aus dem eigenen beruflichen Umfeld anwenden und auf diese Weise nachhaltig verankern. Innerhalb dieses formellen Weiterbildungs-Settings entstehen durch dieses Format ganz beiläufig auch informelle Netzwerkverbindungen unter Studierenden, Dozent_innen und E-Tutor_innen.
Fachexpert_innen und E-Tutor_innen bilden als Kursbetreuer gemeinsam mit dem museOn-Team ein weiteres Netzwerk auf ILIAS. Information, Koordination, Kommunikation und Kollaboration erfolgen im „Lotsenhaus“ als gemeinsamen Workspace, um den Informationsfluss zu optimieren und die Arbeitsprozesse effizient und transparent zu gestalten.
Die oben dargestellten Bausteine zur Community-Bildung auf ILIAS sind erfreuliche Begleiterscheinungen des gemeinsamen Online-Lehrens und –Lernens. Ein weiterer Schritt zur langfristigen und nachhaltigen Vernetzung von ehemaligen museOn-Studierenden, Dozent_innen, Autor_innen, E-Tutor_innen und dem museOn-Team erfolgte mit der Entscheidung zum Aufbau eines speziellen Alumni-Netzwerks auf ILIAS. Das Netzwerk bietet seinen Mitgliedern die Möglichkeit zum Austausch untereinander und damit den Aufbau einer lebendigen Community of Practice.
Abgesehen von den Online-Kommunikationsmöglichkeiten der Mitglieder untereinander bekommt auch das Ziel des lebenslangen Lernens hier eine neue Gewichtung: In regelmäßigen Abständen veranstaltet museOn für die Community Webinare, die aus dem Kreis ihrer Mitglieder angeboten und durchgeführt werden. Auch Präsenztreffen inklusive Museums- oder Ausstellungsbesuche werden über die Plattform organisiert.
Im Sinne einer Practice kann jedes Mitglied hier aktive Beiträge leisten, z.B. in Form eines Blogbeitrags (von Alumni für Alumni, News aus der Museumswelt), einem Etherpad als Ideensammlung und einem „Kompetenznetzwerk“, in dem Mitglieder gezielt Partner mit bestimmten Interessen und Kompetenzen finden können.
Mit diesem Schritt wird das museOn-Netzwerk in konkrete Arbeitsaufgaben eingebunden – qualifizierte Absolventen können das Wissen, das sie im Rahmen der Weiterbildung erworben, und die Erkenntnisse, die sie gewonnen haben, in der Praxis anwenden und auf diese Weise nachhaltig verankern.
All diese verschiedenen, kleinen und großen, formellen und informellen, festen und losen Verbindungen und Verknüpfungen, die sich aus unterschiedlichen Gründen mit unterschiedlichen Zielsetzungen bilden, die unterschiedlich agieren und funktionieren, bilden unter dem Dach von museOn ein großes Lernnetzwerk und damit eine Community, die sich kontinuierlich und dynamisch weiterentwickelt.
Die Vorteile von Social Workplace Learning mithilfe von ILIAS liegen auf der Hand: ILIAS verfügt über alle erforderlichen Werkzeuge zur Kommunikation und Kollaboration sowie zum Projektmanagement. Damit kann das Zusammenspiel von Lernen, Information und Arbeitskooperation im Netzwerk auf ILIAS sehr gut gelingen. Um ein starkes Netzwerk zu bilden und um Social Workplace Learning auch tatsächlich erfolgreich zu gestalten, reicht eine funktionierende Infrastruktur allein allerdings nicht aus, denn die zunehmende Digitalisierung der Arbeitswelt erfordert einen grundlegenden Wandel der Lernkultur.
Entscheidend ist letztlich, dass auch in den musealen Einrichtungen die Bedeutung von Social Workplace Learning für die Professionalisierung der Mitarbeiter erkannt wird. Der für diese Lernkonzeption erforderliche Ermöglichungsrahmen impliziert, dass den Mitarbeitern musealer Einrichtungen Zeit und Ressourcen zum formellen und informellen Lernen im Netzwerk eingeräumt werden.
Literatur: Erpenbeck, John, Sauter, Simon, Sauter, Werner: Social Workplace Learning. Kompetenzentwicklung im Arbeitsprozess und im Netz in der Enterprise 2.0, Wiesbaden 2016.