Wie kann Kuratieren wissenschaftlich gefasst werden? Wie verändert sich die Rolle des Kuratorischen in der gegenwärtigen Museumslandschaft? Und wer bildet eigentlich Kurator_innen aus?
Das waren einige der Leitfragen, die bei einem eintägigen Symposium im Dresdner Hygiene-Museum am 16. Oktober 2015 verhandelt wurden. Daniel Tyradellis, bekannter und streitbarer Kurator hatte zu einer kleinen „Museums-Talkshow“ eingeladen, um verschiedene Aspekte des Ausstellens zu verhandeln.
Wissen in und über Ausstellungen?
Ralf Beil, Leiter des Kunstmuseums Wolfsburg, hatte sich das Thema „Wissen“ vorgenommen. Er unterschied zwischen dialogischem und autoritativem Wissen und plädierte dafür, dass kuratorisches Wissen – angelehnt an Nietzsches „Fröhliche Wissenschaft“ (1882) als „fröhliches Wissen“ verstanden werden könnte – ein nicht systematisiertes Wildwissen, das sich durch eine Offenheit der Welt gegenüber auszeichnet, das sich verdichtet, erhellt und neue Erfahrungswelten schafft. Verschiedene Wissensformen in Ausstellungen wurden angesprochen: Dialogisches Wissen, das erst mit Besucher_innen zustande kommt; Künstlerwissen, das auf Erfahrungen der Künstler_innen aufbaut; Weltwissen, emotionales Wissen, totes Wissen und Erfahrungswissen. Gefragt wurde nach dem Stellenwert des Wissens der Kurator_innen – Beil plädierte weiterhin für einen tendenziell autoritativen Begriff des kuratorischen Wissens – Kurator_innen haben ihm zufolge die Aufgabe, Assoziationen zu schaffen und Erlebnisse beim Publikum herzustellen ohne unterkomplex zu sein. Tyradellis verfolgte einen anderes Bild des Wissens in Ausstellungen: Ihm ging es vielmehr darum, mit Ausstellungen ein Gefüge zu schaffen, in dem verschiedene Wissensstände die Möglichkeit haben, sich einzuklinken und Besucher_innen selbstständig lernen können – ihn interessierte die Frage, wie die unterschiedlichen Denkformen und Vorannahmen der Besucher_innen bewusst gemacht werden können – mit dem Ziel, sich über das Anders-Denken der Anderen klar zu werden.
Besucher, Vermittlung und Umgang mit Aura
Mathias Wagner K (Museum für Angewandte Kunst, Frankfurt am Main) berichtete von der Neukonzeption des MAK im Hinblick auf neue Besucher und Ellen Blumenstein, Chefkuratorin am KW Institute for Contemporary Art, Berlin dachte über die Vermittlung von Kunst nach. In ihrem kurzen Vortrag ging sie vor allem auf die (schwierigen) Bedingungen des Kunstbetriebs ein, wobei Kunst häufig als Marketinginstrument eingesetzt wird und plädierte für eine Ausstellungspraxis einer „Schule des Sehens“. Immer wieder kam die Diskussion auf die unterschiedlichen Ansätze des Wissens in Bezug auf das Kuratieren – wie gehen Kunstkuratoren im Gegensatz zu Kulturhistorischen Kuratoren mit Wissen um und wie kann Wissensvermittlung neu (damit war gemeint: nicht autoritativ) gedacht werden? Bodo-Michael Baumunk, Ausstellungsmacher, sprach über das Verhältnis von Kunst in Wissensausstellungen sowie über neue Verbindungen zwischen bislang getrennten Ausstellungstypen und plädierte für mehr Selbstbewusstsein von Wissensausstellungen.
Ausbildung zum Kuratieren?
Immer wieder ging es auch um die Frage der Ausbildung fürs Museum: Wer bildet aus? Sind es die Volontariate oder die Kuratorenstudiengänge? Warum beschränken sich die Kuratorenstudiengänge meist auf Kunstmuseen und haben Kulturhistorische Museen weniger im Blick? So müsste zum Beispiel über die Fachwissenschaft und die Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens hinaus viel mehr Wert auf interdisziplinäres Wissen gelegt werden.
Fazit
Ein gelungenes, interessantes Symposium, das einige wichtige, sehr aktuelle Fragen angeregt hat – kritisch zu bewerten ist das wenig diskursive Format, das nicht selten an den Bedürfnissen und Interessen des Publikums vorbeiging, sowie die Frage, weshalb denn keine Museumswissenschaftler_innen auf dem Podium vertreten waren und so noch mal eine andere Perspektive auf die zentrale Frage: Ist Ausstellen eine Wissenschaft? und auf das komplexe Verhältnis zwischen Wissen und Ausstellen hätten einbringen können. Recht offen blieb leider auch die Frage nach soliden Kriterien einer Ausstellungskritik – ein spannender Job, der noch offen ist.
Monika Flores Martínez says
Danke für diese Zusammenfassung! Auch ich fand das Symposium anregend und stellenweise – trotz des wenig partizipativen Formats – sehr unterhaltsam.
Dabei ist wohl klar geworden: Unter dem “Wissen der Kuratoren” verstand jeder Diskutant etwas anderes. Und ob man Ausstellen als Wissenschaft begreifen kann, blieb ebenso vage. Daher zeigte für mich das Symposium einmal mehr: Kuratoren sind gut im Fragestellen, im Antwortengeben sind sie miserabel.
Sonja Thiel says
Danke für den Kommentar und die Einschätzung, die ich teile! Das Fragestellen ist eben immer der Anfang – und vielleicht geht es auf den folgenden Terminen um DHMD systematischer weiter, mal sehen.