Dr. Cornelia Weber
Universitätssammlungen sind außergewöhnliche Orte des Wissens. Sie sind eingebettet in eine traditionelle und zugleich dynamische Institution mit großartigen Akteur_innen und beachtlichen Ressourcen. Alles ist ständig in Bewegung. Durch neue Forschungsmethoden, -technologien und -fragen sind Ergebnisse von heute manchmal morgen schon überholt. Diese Prozesse müssen ständig nach innen und außen kommuniziert werden.
In seinem kürzlich herausgegeben Positionspapier „Wissens- und Technologietransfer als Gegenstand institutioneller Strategien“ empfiehlt der Wissenschaftsrat den Hochschulen und Forschungseinrichtungen, die Förderung von Transferaktivitäten als strategische Aufgabe zu verstehen und sich dabei auf drei Handlungsfelder zu konzentrieren: „Wissenschaft zu kommunizieren, wissenschaftlich zu beraten und Wissenschaft anzuwenden“ (WR 2016).
Universitätsmuseen und -sammlungen sind konkrete Orte der Kommunikation von Wissenschaft (vgl. Balsiger 2010), des wissenschaftlichen Austauschs und des Dialogs mit der Öffentlichkeit. Sie können daher bei den vom Wissenschaftsrat angeregten Transferprozessen eine wichtige Rolle übernehmen.
Insbesondere im Bereich der Wissenschaftskommunikation haben die Universitätssammlungen in den letzten Jahren enorme Erfahrungen sammeln können; vielerorts wurden bereits spezifische Programme und Veranstaltungsformate entwickelt. Die Sammlungen besitzen nicht nur eine hohe Kompetenz in der Vermittlung von Wissen, sie können die Universität bei ihren Transferaktivitäten auch strategisch unterstützen und die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Partnern aus Kultur und Wissenschaft fördern.
Universitätssammlungen
Universitätssammlungen haben eine lange Tradition und lassen sich bereits seit dem 16. Jahrhundert belegen, darunter der Botanische Garten der Universität Leipzig oder die Sammlung mathematischer Instrumente der Universität Rostock. Hinsichtlich ihrer Entstehung und Nutzung sind sie eng an die Hochschule gebunden (Weber 2012).
Das Spektrum an Sammlungen ist außerordentlich breit. Diese reichen von der Anatomie, der Archäologie und der Architektur über die Botanik, die Chemie, die Ethnologie, die Geowissenschaften, die Mathematik, die Medizin, die Numismatik, die Physik, die Religionswissenschaft bis hin zur Zoologie – um einige Beispiele zu nennen (vgl. Weber 2016).
Universitätssammlungen bewahren eine große Vielfalt an Objekten, so unter anderem Präparate von Pflanzen, Tieren und Menschen, Gesteins- und Mineralienexemplare, Proben von Drogen und Farben, Münzen, historische Geräte und Instrumente, Lehrmodelle, jedoch auch Gemälde, Skulpturen und Grafiken. Viele dieser Objekttypen und Materialien sind nirgendwo anders verfügbar.
Das Sammeln an den Universitäten wird von wissenschaftlichen Prinzipien geleitet. Das heißt: Man sammelt und bewahrt Material, das für Forschung und Lehre benötigt wird. Dabei handelt es sich vielfach um Referenz- oder Typusmaterial, welches im Rahmen von Qualifizierungs- und Forschungsarbeiten untersucht wurde und in wissenschaftlichen Veröffentlichungen beschrieben ist.
Zahlreiche Sammlungen sind über Jahrhunderte gewachsen, manche Objekte sind dabei älter als die Sammlung selbst. Sie beherbergen eine Fülle von Material, das zum Teil aus nicht mehr zugänglichen oder existierenden Fundstellen stammt. Ihr wissenschaftlicher Wert ist einzigartig.
Ein großer Teil der universitären Sammlungen sind Gebrauchssammlungen. Sie sind zunächst eine Art Archiv, in dem eine bestimmte Gruppe von Materialien erfasst, erschlossen, erhalten, ausgewertet und zugänglich gemacht wird. Dieses Material ist eine wichtige Ressource für weitere wissenschaftliche Studien. Sodann funktionieren Sammlungen wie ein Labor, in dem man Objekte beobachten, beschreiben, miteinander vergleichen, untersuchen und deuten kann. Zudem dienen sie als Instrument, wenn beispielsweise Objekte als Anschauungsmaterial für die Vermittlung von Wissen genutzt werden. Zusammenfassend bedeutet dies jedoch auch, dass einzelne Objekte möglicherweise für bestimmte Untersuchungen verbraucht bzw. zerstört oder im Unterricht von Studierenden genutzt werden müssen.
Fälschlicherweise existiert vielfach die Vorstellung von alten, verwaisten und verstaubten Sammlungen, die in den Universitäten ein Schattendasein fristen. Das trifft jedoch nicht zu. Die meisten universitären Sammlungen werden in Forschung und Lehre genutzt. Neue Forschungsmethoden wie z.B. DNA-Analysen oder bildgebende Verfahren führen immer wieder zu neuen Ergebnissen. Aber nicht nur durch neue Forschungsmethoden oder Technologien, auch durch neue Fragestellungen oder didaktische Konzepte gewinnen Sammlungen oder deren Objekte wieder an Relevanz. Das gilt selbst für Sammlungen, die auf den ersten Blick nur historischen Wert besitzen. Aktuell wird in einigen Sammlungen beispielweise die Frage nach der Provenienz der Bestände und dem Umgang mit sogenannten „sensiblen“ Objekten untersucht und diskutiert.
Universitätssammlungen werden nicht nur in Lehre und Forschung genutzt, sondern zunehmend auch in der Wissenschaftskommunikation eingesetzt, so zum Beispiel als Materialgrundlage für Ausstellungen, die sich an eine größere Öffentlichkeit richten. Derartige Ausstellungen bieten vor allem die an den Universitäten etablierten Museen an, von denen derzeit 74 bei der Koordinierungsstelle für wissenschaftliche Universitätssammlungen in Deutschland erfasst sind. Verglichen mit der Gesamtzahl von 983 derzeit registrierten Sammlungseinheiten an 82 Universitäten ist das jedoch nur ein kleiner Anteil. Allerdings bieten diese Museen insbesondere nicht öffentlich zugänglichen Sammlungen die Möglichkeit, sich dort der Öffentlichkeit zu präsentieren. Ein gutes Beispiel dafür ist das Museum der Universität Tübingen (MUT), das die akademischen Sammlungen nicht nur unter einem virtuellen Dach vereint, sondern ihnen auch Raum für Ausstellungen mit übergeordneten thematischen Fragestellungen bietet.
Viele Universitätssammlungen sind nur auf Anfrage zugänglich. Anders als Museen verfügen akademische Sammlungen in der Regel nicht über eine angemessene Infrastruktur (Weber 2010). Existiert keine universitätsübergreifende Sammlungsordnung, sind Sammlungen vielfach abhängig vom Wohlwollen der Professor_innen oder Institutsdirektor_innen. Zudem liegt die Verantwortung für eine Sammlung oft in den Händen von Fachwissenschaftler_innen ohne museologische Erfahrungen.
Universitätssammlungen sind ein Teil der wissenschaftlichen Infrastruktur einer Hochschule. Das Potential der Sammlungen kann jedoch, wie der Wissenschaftsrat 2011 in seiner Stellungnahme zu wissenschaftlichen Sammlungen als Forschungsinfrastrukturen festgestellt hat, „aus unterschiedlichen Gründen – wie unzureichende Erschließung, Sichtbarkeit, Betreuung, Pflege oder Unterbringung – nicht angemessen ausgeschöpft werden“ (Wissenschaftsrat 2011). Um die Situation nachhaltig zu verbessern, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Jahr 2012 die Koordinierungsstelle für wissenschaftliche Universitätssammlungen in Deutschland eingerichtet. Diese Einrichtung soll die Sammlungen durch spezifische Angebote unterstützen, um dadurch eine dauerhafte Nutzung und Zugänglichkeit für die Wissenschaft zu erreichen.
Die Koordinierungsstelle für wissenschaftliche Universitätssammlungen
Die Koordinierungsstelle für wissenschaftliche Universitätssammlungen in Deutschland ist am Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik der Humboldt-Universität zu Berlin angesiedelt, das sich bereits seit Mitte der 1990er Jahre der Erfassung, Erforschung und Präsentation von Universitätssammlungen widmet.
Die Koordinierungsstelle fördert bundesweit die Sichtbarkeit und Nutzbarkeit wissenschaftlicher Sammlungen. Ziel ist es, die Sammlungen unter Beachtung ihrer Vielfalt und ihrer lokalen Besonderheiten als dezentrale Infrastrukturen langfristig für Forschung, Lehre und Bildung weiter zu entwickeln und zu vernetzen.
Der Koordinierungsstelle ist es in recht kurzer Zeit gelungen, eine stabile Vernetzung sowie geeignete Initiativen und Maßnahmen zur Weiterentwicklung universitärer Sammlungen anzustoßen und maßgeblich zu unterstützen. Neben den Aktivitäten im Netzwerk Universitätssammlungen konzentriert sich die Arbeit vor allem auf die Arbeitsfelder Infrastrukturentwicklung, Kommunikation und Vernetzung, Digitalisierung sowie Weiterbildung und Beratung.
Inzwischen wurden verschiedene Kommunikationsangebote zur Unterstützung der Sammlungen, zum Austausch von Informationen sowie zur virtuellen Vernetzung entwickelt. Zu nennen ist hier vor allem die Website mit einem umfangreichen Angebot (http://wissenschaftliche-sammlungen.de). Ein Newsletter mit über 550 Abonnenten informiert regelmäßig über aktuelle Entwicklungen. Ergänzt wird das Angebot durch den Blog „Sammeln. Der Kosmos wissenschaftlicher Objekte“, der als interdisziplinäre Diskussionsplattform konzipiert ist (http://sammeln.hypotheses.org).
Die Koordinierungsstelle hat mittlerweile mehrere Handreichungen herausgegeben, um die Sammlungsarbeit weiter zu professionalisieren. Das Material kann zum Teil auch von außeruniversitären Museen genutzt werden: Anleitung zur Statusbestimmung (2013); Erhebung von Qualitätskriterien (2013); Leitfaden Sammlungskonzept und Leitbild (2014); Mindestanforderungen an Sammlungsordnungen (2015); Leitfaden Universitätssammlungen und Urheberrecht (2015); Leitfaden zu Besitz- und Eigentumsfragen (2015), Gesamtuniversitäre Strategie zur Entwicklung von Sammlungen (2016), Positionspapier zu Lehre mit Sammlungen (2016).
Das Portal „Wissenschaftliche Sammlungen“ (https://portal.wissenschaftliche-sammlungen.de) informiert über analoge und digitale Sammlungen, Bestände, sammlungsbezogene Aktivitäten und Akteure. Hier werden u.a. Ausstellungen und Forschungsprojekte erfasst. Damit bietet das Portal einen guten Ausgangspunkt für die Suche nach Kooperationspartnern.
Die 2015 erstmals veröffentlichten „Kennzahlen zu wissenschaftlichen Sammlungen in Deutschland“ (https://portal.wissenschaftliche-sammlungen.de/kennzahlen) geben einen Überblick über die aktuelle infrastrukturelle Situation der universitären Sammlungen in Deutschland. Diese Kennzahlen werden nicht nur von Zeit zu Zeit um weitere Daten ergänzt, sondern auch regelmäßig aktualisiert, um langfristig Entwicklungen darstellen zu können. Die letzte Ergänzung basiert auf der Analyse von „Digitalen Sammlungen“.
Das Team der Koordinierungsstelle erreicht viele Anfragen, bei denen es um allgemeine Aspekte der Sammlungsarbeit geht, z.B. „Wie kann ich meine Sammlung erschließen?“, „Welche Software kann ich für eine digitale Erschließung nutzen?“, „Wie kann ich die Erschließung finanzieren?“ oder „Mit wem kann ich in bestimmten Projekten zusammenarbeiten?“. Derartige Fragen können jederzeit in einem persönlichen Beratungsgespräche geklärt werden.
Darüber hinaus ist die Koordinierungsstelle eine wesentliche Schnittstelle zu den Netzwerken im In- und Ausland, beispielsweise zu einschlägigen Arbeitskreisen, zu dem europäischen Netzwerk Universeum. European Academic Heritage Network (http://universeum.it) oder zu dem weltweit agierenden Komitee University Museums and Collections (http://umac.icom.museum) unter dem Dach des Internationalen Museumsrats (ICOM).
Kooperationen mit außeruniversitären Sammlungen und Museen
In der Kooperation mit außeruniversitären Sammlungen und Museen steckt ein großes Potential, das neue Perspektiven für beide Seiten eröffnen kann, insbesondere in den drei Bereichen Museologie, Forschung und Lehre.
Museologie
Die Mehrzahl der Sammlungsleiter_innen sind Fachwissenschaftler_innen ohne spezielle museologische Ausbildung. Um die Sammlungsarbeit stärker zu professionalisieren, ist daher eine engere Zusammenarbeit zwischen Universitäten und Museen ausdrücklich erwünscht.
2015 hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung die neue Förderlinie „Vernetzen – Erschließen – Forschen. Allianz für universitäre Sammlungen” mit dem Ziel bekannt gegeben, Impulse in grundlegenden Bereichen wie Sammlungsmanagement, Sammlungserschließung und -digitalisierung sowie im Bereich der Konservierung und Restaurierung zu geben. Dabei wurden die Sammlungen aufgefordert, im Rahmen der Förderung themenbezogene Netzwerke zu bilden, in denen über die Einbindung von außeruniversitären Museen museologisches Wissen weitergegeben wird. Die Zusammenarbeit mit den Museen wird demnach in den nächsten Jahren maßgeblich verstärkt.
Gelungene Kooperationen zwischen Universitäten und Museen hat es auch schon vorher gegeben.
Beispiel 1: Die Sammlungen der Universität Erlangen-Nürnberg und das Germanische Nationalmuseum Nürnberg arbeiten bereits seit längerem an der Entwicklung einer virtuellen Forschungs- und Dokumentationsumgebung mit der Bezeichnung WissKi (Wissenschaftliche Kommunikationsinfrastruktur). Ziel des Projekts ist die Entwicklung einer gemeinsame Erschließungs- und Digitalisierungsstrategie, die für ein breites Sammlungsspektrum angewendet werden kann.
Beispiel 2: Die Stiftung Deutsches Hygienemuseum Dresden hat im Rahmen des KUR-Programms (Programm zur Konservierung und Restaurierung von mobilem Kulturgut) in Kooperation mit Universitätssammlungen, Museen und Hochschulen das Projekt „Wachsmoulagen“ durchgeführt. Dabei wurde ein innovatives Verfahren zur Konservierung und Restaurierung von Moulagen (naturnahe Wiedergaben von Krankheitsbildern in Wachs) entwickelt. Für die Universitätssammlungen, in denen die meisten Moulagen aufbewahrt werden, war das Projekt von großem Nutzen. Im Anschluss wurde zudem ein Arbeitskreis Moulagen gegründet, der sich regelmäßig zum Erfahrungsaustausch trifft.
Lehre und Nachwuchsförderung
Im Sommer 2015 hat die Koordinierungsstelle gemeinsam mit der Stiftung Mercator eine Arbeitstagung zum Thema „Objekte wissenschaftlicher Sammlungen in der universitären Lehre“ veranstaltet (Weber et al. 2016). Dabei hat sich gezeigt, dass sich die Ausbildung im Studium vorwiegend auf die Arbeit mit Schriftquellen und Abbildungen konzentriert. Demnach lernen Studierende nicht, Objekte zu „lesen“ und zu deuten. Auch der sachgerechte Umgang mit Objekten wird nicht vermittelt. Diese fehlende Qualifikation der Studierenden wirkt sich nachteilig auf die Forschung aus. Das heißt konkret: Es fehlt der Nachwuchs für die Mitarbeit in einschlägigen Projekten sowie in den Sammlungen selbst. Objektgebundene Forschungsfragen werden nicht mehr diskutiert und fehlen somit beim Prozess des Erkenntnisgewinns. Dieses Nachwuchsproblem betrifft offensichtlich sowohl die Universitäten als auch die Museen. Hochschuldozent_innen und Museumsmitarbeiter_innen sind daher gefragt, gemeinsam über längerfristige und nachhaltige Strategien und Programme nachzudenken. Beispielsweise könnten Hochschuldozent_innen und Museumsmitarbeiter_innen gemeinsame Lehrveranstaltungen in Form von Tandemlehre anbieten.
Forschung
Museen müssen häufig die eigene Forschung zugunsten von Ausstellungen und Begleitprogrammen zurückstellen, um höhere Besucherzahlen zu erzielen. Die Kooperation mit einer Universität, insbesondere mit einer universitären Sammlung, ist daher für ein Museum eine gute Möglichkeit, um sich aktiv an der Forschung zu beteiligen. An der Universität gehört die Forschung zum Alltag, bei dem immer wieder neue Methoden und Techniken entwickelt werden, die dann manchmal sogar zu neuen, unerwarteten Ergebnissen führen. Dabei können die Resultate umso spannender sein, je weiter man sich bei der Wahl des Kooperationspartners vom eigenen Fach entfernt und eine interdisziplinäre Perspektive sucht.
Das BMBF-Programm „Die Sprache der Objekte – Materielle Kultur im Kontext gesellschaftlicher Entwicklungen“ beispielsweise fördert eine solche Zusammenarbeit. Eines der Ziele ist es, „Kooperationen zwischen Hochschulen und Museen zu stärken, Internationalisierungsprozesse zu vertiefen sowie – nicht zuletzt – neue Wege zu erkunden, um Forschung öffentlichkeitswirksam zu präsentieren“ (BMBF 2015).
In den letzten Jahren hat die Zusammenarbeit von Universitäten und Museen durch das von der VolkswagenStiftung entwickelte Programm „Forschung in Museen“ große Unterstützung erfahren, u.a. durch die Förderung von Forschungsprojekten, aber auch von Workshops und Symposien. So konnte die Universität Mainz beispielsweise im Jahr 2016 die Tagung „Nicht nur Raubgut! Sensible Dinge in Museen und wissenschaftlichen Sammlungen“ ausrichten, bei der Fachleute aus beiden Einrichtungen in großer Zahl die Möglichkeit genutzt haben, ihre Erfahrungen auszutauschen.
Es müssen jedoch nicht immer von außen angestoßene Förderinitiativen sein, die zur Zusammenarbeit zwischen Universitäten und Museen führen. Beispielsweise wurde im November 2015 auf Anregung des Botanischen Museums/Botanischen Gartens Berlin-Dahlem der Freien Universität Berlin ein fächerübergreifender Forschungsverbund sammlungsbasierter Berliner Institutionen zur Forschungsperspektive Sammlungen gegründet (http://www.forschungsperspektive-sammlungen.de/).
Die Bedeutung der Universitätssammlungen für ein breites Publikum
Die Infrastruktur einer Universitätssammlung erlaubt es nur bedingt, eine außeruniversitäre Öffentlichkeit anzusprechen. Es sei denn, es handelt sich um ein Universitätsmuseum mit regulären Öffnungszeiten, das für jedermann zugänglich ist, wie z.B. das Museum der Universität Tübingen, oder um eine Sammlung mit beschränkten, jedoch regelmäßigen Zugangsmöglichkeiten, wie z.B. die Archäologische Sammlung der Universität Freiburg.
Selbst wenn Universitätssammlungen nicht öffentlich zugänglich sind, gibt es viele Möglichkeiten, Sammlungen und Objekte einem breiten interessierten Publikum bekanntzumachen und mit ihm in einen Dialog zu treten – wenn die Mutterinstitution bereit ist, entsprechende Vorhaben zu fördern. Ein solches Projekt kann in den Räumlichkeiten der Universität realisiert werden oder außerhalb, insbesondere im Rahmen der Wissenschaftskommunikation.
Innerhalb der Universität werden Sammlungen gern bei öffentlichen Veranstaltungen präsentiert, z.B. bei der „Langen Nacht der Wissenschaften“, bei der Kinder-Uni, bei Sonntagsspaziergängen (wie z.B. in Göttingen) oder bei Ringvorlesungen mit der Möglichkeit, anschließend einen Blick hinter die Kulissen einer Sammlung zu werfen. Beliebt sind Sammlungen auch bei der Kontaktpflege mit Alumni oder Gästen der Universität. Daneben werden immer wieder größere oder kleinere Ausstellungen mit Objekten aus den Sammlungen gezeigt, insbesondere im Rahmen von Universitätsjubiläen.
Das weite Feld der Ausstellungen bietet sich auch hervorragend für die Zusammenarbeit mit außeruniversitären Museen an – entweder durch direkte Mitwirkung einer Sammlung (vielleicht sogar im Rahmen eines Lehrprojekts) oder die Bereitstellung von Leihgaben, auch wenn Universitätssammlungen kaum Ressourcen haben, um Leihanfragen bearbeiten zu können. Andererseits bieten Ausstellungen für die Sammlungen auch die Chance, gefährdete Objekte auf Kosten der Veranstalter restaurieren zu lassen.
Darüber hinaus gibt es noch zahlreiche andere Möglichkeiten, Sammlungen zu präsentieren: 2015 haben beispielsweise 13 Bochumer wissenschaftliche Sammlungen und Archive gemeinsam in einem Showroom auf einem öffentlichem Platz – dem Blue Square im Herzen der Einkaufsmeile Bochums – rund 100 Exponate gezeigt. Dahinter steht das Netzwerk BOSCOL (Bochum Scientific Collections), das sich 2012 gegründet hat und unter diesem Namen die Sammlungen und Archive der Ruhr-Universität, die Sammlungen des Deutschen Bergbau-Museums und des Archivs für soziale Bewegungen im Haus der Geschichte des Ruhrgebiets vereint.
Universitätssammlungen im 21. Jahrhundert
Universitätssammlungen sind auch im 21. Jahrhundert nach wie vor in erster Linie Lehr- und Forschungseinrichtungen, als „Publikumsattraktion“ spielen sie nur eine untergeordnete Rolle. In der Zusammenarbeit von Universitäten und Museen steckt jedoch ein großes Potential, das den Wirkungskreis der jeweiligen Institutionen enorm erweitern kann. Das gilt insbesondere für die Bereiche Museologie, Forschung, Lehre und Nachwuchsförderung, allgemeine Bildung und Wissenschaftskommunikation.
Wie kann dieser Austausch nachhaltig gefördert werden? Eine gute Möglichkeit bietet die Einrichtung von Räumlichkeiten, die eine fächer- und institutionenübergreifende Arbeit mit und am Objekt erlauben, beispielsweise in Form von einem Objektlabor, das wie der Lesesaal einer Bibliothek funktioniert. Hier können über alle Fächer- und Institutionengrenzen hinweg interdisziplinäre Forschungsprojekte durchgeführt, neue, objektbasierte Lehrformate ausprobiert und ungewöhnliche Ausstellungen und Aktionen geplant werden.
Zudem sollten Universitäten und Museen gemeinsam daran arbeiten, ihre Sammlungsbestände auch digital zur Verfügung stellen. Die wissenschaftliche Erschließung und Digitalisierung von Sammlungsobjekten ist eine Grundvoraussetzung, um ihr wissenschaftliches und bildendes Potential sichtbar zu machen und einen adäquaten Zugriff für Forschung, Lehre und öffentliche Vermittlung zu ermöglichen. Dies gilt vor allem für solche Sammlungen, die nicht öffentlich zugänglich sind. Wenn Objekte nicht nur lokal, sondern auch fach- und institutionenübergreifend für Nutzer_innen sicht- und verfügbar sind, werden nicht nur Nutzbarkeit und Nutzungsintensität erheblich gefördert, es können sich dabei auch ganz neue Formen des Austauschs und der Kooperation zwischen Universitäten und Museen entwickeln.
Literatur- und Quellenangaben
Bundesministerium für Bildung und Forschung: Die Sprache der Objekte entschlüsseln. 2015.
https://www.bmbf.de/de/die-sprache-der-objekte-entschluesseln-1897.html (31.10.2016)
Balsiger, Philipp: Das Museum in der Universität – Überlegungen zu einer Form künftiger Wissenschaftskommunikation. In: Weber, Cornelia/Mauersberger, Klaus (Hrsg.): Universitätsmuseen und -sammlungen im Hochschulalltag. Aufgaben – Konzepte – Perspektiven. Beiträge zum Symposium vom 18.–20. Februar 2010 an der Humboldt-Universität zu Berlin. Berlin 2010, S. 105-117.
http://edoc.hu-berlin.de/conferences/ums2010/balsiger-philipp-105/PDF/balsiger.pdf (31.10.2016)
Wissenschaftsrat (Hrsg.): Empfehlungen zu wissenschaftlichen Sammlungen als Forschungsinfrastrukturen. 2011. Drs. 10464-11.
http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/10464-11.pdf (31.10.2016)Wissenschaftsrat (Hrsg.): Wissens- und Technologietransfer als Gegenstand institutioneller Strategien. Positionspapier. 2016. Drs. 5665-16.
http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/5665-16.pdf (31.10.2016)
Weber, Cornelia: Zur gegenwärtigen Situation der universitären Sammlungen. In: Weber, Cornelia/Mauersberger, Klaus (Hrsg.): Universitätsmuseen und -sammlungen im Hochschulalltag. Aufgaben – Konzepte – Perspektiven. Beiträge zum Symposium vom 18.–20. Februar 2010 an der Humboldt-Universität zu Berlin. Berlin 2010, S. 3-9.
http://edoc.hu-berlin.de/conferences/ums2010/weber-cornelia-3/PDF/weber.pdf (31.10.2016)
Weber, Cornelia: Universitätssammlungen. In: Leibniz-Institut für Europäische Geschichte (Hrsg.): Europäische Geschichte Online (EGO). Mainz 2012-07-16.
http://www.ieg-ego.eu/weberc-2012-de (31.10.2016)
Weber, Cornelia et al.: Objekte wissenschaftlicher Sammlungen in der universitären Lehre. Praxis, Erfahrungen, Perspektiven. Beiträge zur Arbeitstagung der Koordinierungsstelle für wissenschaftliche Universitätssammlungen in Deutschland in Kooperation mit der Stiftung Mercator. Hrsg. von Cornelia Weber et al. Berlin 2016.
http://edoc.hu-berlin.de/conferences/objekte2015 (31.10.2016)
Weber, Cornelia: Universitätssammlungen als Partner der Museen. In: ICOM Deutschland – Mitteilungen 2016, H. 38, S. 8-11.
http://www.icom-deutschland.de/client/media/40/00_mitteilungen_2016_online.pdf (31.10.2016)
Dr. Cornelia Weber
Leiterin der Koordinierungsstelle für wissenschaftliche Universitätssammlungen in Deutschland, Berlin
ist seit 2012 Leiterin des BMBF-Projekts Koordinierungsstelle für wissenschaftliche Universitätssammlungen Deutschland. 1999-2014 war sie Geschäftsführerin des Hermann von Helmholtz-Zentrums für Kulturtechnik und stellvertretende Leiterin der Abteilung Wissenschaftliche Sammlungen und Wissenschaftskommunikation. Sie war Leiterin der DFG-Projekte Universitätssammlungen in Deutschland: Untersuchungen zu Bestand und Geschichte (2004-2009) sowie Materielle Modelle in Forschung und Lehre: Erfassung, Dokumentation und Untersuchung von Modellen in universitären Sammlungen (2010-2012). 2004-2010 war Weber Präsidentin des Internationalen Komitees University Museums and Collections (UMAC). Seit 2012 ist sie Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Universitätssammlungen e.V. und Mitherausgeberin des University Museums and Collections Journal (2008-2013).