„Ausstellungen als „Denken im Raum“ – Daniel Tyradellis (2014)
Zur Vorbereitung des ersten Modulplanungs-Workshops zum Thema „Ausstellen“ im Juli, der mit unseren Kooparationspartnern von TRIAD, dem BSZ und der Fondation Beyeler stattfinden wird, stellen wir ein Positionspapier vor, in denen wir unserer Meinung nach zukunftsweisende inhaltliche Aspekte für die Entwicklung der ausstellungsbezogenen Weiterbildung aufgreifen – quasi einen gedanklichen Hintergund für museOn. Diese Aspekte möchten wir als Diskussionsgrundlage bieten und fragen, ob es die Richtigen sind und welche Aspekte aus der Sicht professioneller Ausstellungsmacher/innen und Museolog/innen noch fehlen. Ganz praktisch werden wir übrigens Teilmodule entwickeln zu den Themen: Ausstellungskonzeption und Management, Ausstellungsdrehbücher, Schreiben und Texten für Ausstellungen, Szenographie und Raum, sowie ein theoretisches Modul zum Verhältnis von Objekt und Wissen. Wir freuen uns über Kommentare, Ideen oder Anregungen!
Museum als „Contact Zone“
Museen als öffentliche Einrichtungen nehmen sich verstärkt der Aufgabe an, sozialer Treffpunkt oder „contact zone“ (Clifford 1997) zu sein. Die Gemeinschaft stiftende Funktion von Museen wird aktiv hergestellt für diverse Zielgruppen. Ausstellungen werden dabei häufig als interaktives Medium verstanden, in dem Besucher miteinander in Verbindung kommen und über ihre Einstellungen und Wahrnehmungen kommunizieren können. Begleitprogramme, wie TweetUps oder angesagte Clubabende in Kunstmuseen verstärken diesen sozialen Zugang zu Kunst und Kultur. Sinnvolles Community Management ist ein Querschnittsthema für Ausstellen, Vermitteln und Managen.
Museum für alle
Als Aufgabe kultureller Bildung wird zunehmend auch die Verhandlung von gesellschaftlichen Fragen verstanden (Westphal 2014). Im Zuge dessen arbeiten öffentlich geförderte Kulturinstitutionen daran, sich interkulturell zu öffnen und inklusiv und teilhabeorientiert zu handeln. Ziel ist nicht mehr nur die Entwicklung eines Publikums aus bildungs- und kulturfernen gesellschaftlichen Gruppen (Mandel/Redlberger 2013), sondern auch die Förderung von Teilhabe an Kultur. Man kann von einem Paradigmenwechsel von dem Diktum „Kultur für Alle“ (Hoffmann 1979) zu „Kultur von Allen“ sprechen. Damit ist die (interne und externe) Öffnung von Kulturinstitutionen zu einer partizipativen, inklusiven Praxis gemeint, die heterogene Narrative zulässt und Austausch über verschiedene Kulturkonzeptionen fördert (Gesser et al. 2012).
Interkulturelles Audience Developement
Um nicht ein nur kleines Publikum aus der immer gleichen gesellschaftlichen Gruppe anzusprechen, arbeiten Museen und Kultureinrichtungen an einem interkulturellen Audience Developement. Das meint, sich um neue Nutzergruppen explizit zu bemühen und zu vermitteln: Ihr seid herzlich eingeladen. Dabei sollen jedoch nicht “neue” Gruppen für “alte” Programme interessiert werden, sondern Neues entwickelt werden auf der Basis unterschiedlicher Traditionen und Erfahrungen. Es geht um die Motivation und Befähigung, an einer kreativen, anregenden und unterhaltsamen Erfahrung mit den Künsten zu partizipieren und diese zugleich als ein wichtiger Partner von Kultureinrichtungen mitzugestalten (Mandel 2013). Outreach, Partizipation und Inklusion sind hierbei Querschnittsthemen. Themen wie Migration und kulturelle Vielfalt rücken verstärkt in den Fokus der Museen und werden mittlerweile auch für die Sammlungen behandelt.
Erzählen im Raum. Dramaturgie und Narration
Nicht mehr nur das auratische Objekt, sondern verstärkt der dramaturgische Aufbau einer Ausstellung steht im Mittelpunkt gegenwärtiger Ausstellungspraxis und der Reflexion darüber. Die Entwicklung verständlicher Narrative und einer ‚Geschichte im Raum‘ mit unterschiedlichem, jeweils passenden Medieneinsatz bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Macht der Objekte ist die Herausforderung, der sich Kuratoren, Szenographen und Vermittler gemeinsam stellen. Die Rezeption der Besucher darf mittlerweile auch als selbstverständlicher und nicht nur störender Bestandteil des Gesamtkunstwerks Ausstellung verstanden werden (Tyradellis 2014).
Kuratieren als Kommunikation
Trotz oder gerade wegen des ubiquitären Auftretens des Begriffs des Kurators ist ein differenziertes, reflexives Nachdenken über die Rolle der Kuratorin/des Kurators nötiger denn je. Nicht eine klare Funktion oder Position bezeichnet der diffuse Begriff, sondern in erster Linie „cura“, Sorge, was auf das übergeordnete Ziel verweist, den Sinn einer Ausstellung zu verfolgen und ein dementsprechendes Arrangement aus Objekten und Szenerien herzustellen. Kuratieren ist ein komplexes kommunikatives Handwerk, bei dem es vermehrt darum geht, Inhalte zu filtern und zu kompilieren, kreativ zu remixen und zu kontextualisieren. Im Wandel, in dem sich viele Museen und Formate befinden, verändert sich auch die Funktion des Kurators hin zu einer moderierenden, kommunikativen, koordinativen Rolle.
Wandel von Formaten
Zahlreiche Museen überarbeiten momentan Ihre Dauerausstellungen, entwickeln 2-3 Sonderausstellungen pro Jahr, bieten Schausammlungen an oder entwickeln Outreach-Projekte, wie Wanderausstellungen, Objektkoffer, mobile Exponate usw. Gerade das Format der Dauerausstellung (Ständige Ausstellung) bedarf vielerorts einer Auffrischung, weil sie meist zeitlos konzipiert sind und dauerhafte Deutungshoheit beanspruchen, die mit der Dynamik eines modernen Museums nicht vereinbar ist. Gerade der rasante Wandel von ästhetischen und technischen Standards und Möglichkeiten für Ausstellungen bringt eine notwendige Überarbeitung mit sich. Konzeptionell lösen sich die Unterschiede zwischen Sonder- und Dauerausstellungen auf. (Habsburg-Lothringen 2012).
Verschränkungen mit der digitalen Welt
Der Prozess der Digitalisierung hat immensen Einfluss auf alle Bereiche des Museums. Sammlungen werden digital erschlossen und öffentlich zugänglich gemacht und damit die Möglichkeit zu digitalen Austellungen gegeben. In Ausstellungen ist der Einsatz digitaler Geräte für die Vermittlung mittlerweile eine Selbstverständlichkeit für die vertiefende Information. Darüber hinausgehende Möglichkeiten wie die Verschränkung von Ausstellungen mit Social Media, Online Museen, RFID Chips, iBeacons, Apps zur Ausstellung, digitale Vermittlungsangebote wie #gauguinsounds oder Digitorials zur Vorbereitung des Ausstellungserlebnisses und selbstverständlich: WiFi in den Ausstellungen werden momentan noch nur von einigen wenigen experimentierfreudigen Museen erprobt. Den Bereich der e-culture als selbstverständlichen Bestandteil der Ausstellungsarbeit zu verstehen wird Aufgabe der kommenden Jahre sein.
Fazit – Anforderungen an eine wissenschaftliche Weiterbildung: Reflexion über die eigene Praxis und Nachdenken über Relevanz
Die Anforderung an ein Weiterbildungsangebot im Bereich des Ausstellens besteht vor allem darin, einen Reflexionsraum für die Praktiker zu ermöglichen, in dem Sie sowohl bestehende und neue Konzepte kennenlernen und prüfen, als auch ihre eigenen Annahmen und Praktiken über das Ausstellen auf den Prüfstand stellen können. Die Dynamik moderner Museen macht eine häufige Selbstüberprüfung der eigenen Praxis notwendig. Die Herausforderung jedes Museumsmachers besteht darin, die Bestände für die jeweilige Gegenwart relevant zu machen und die Sammlungen entsprechend weiterzuentwickeln.
Literaturhinweise:
- Clifford, James 1997: Museums as contact zones. (Routes. [Offprint]).
- Gesser, Susanne et al. 2012: Das partizipative Museum. Zwischen Teilhabe und User Generated Content. Bielefeld.
- Hoffmann, Hilmar 1979: Kultur für alle. Perspektiven und Modelle. Frankfurt a. M.
- Mandel, Birgit 2013: Interkulturelles Audience Development als Marketingstrategie und Veränderungsprozess öffentlich geförderter Kulturinstitutionen. In: Mandel, Birgit/Redlberger, Melanie (Hrsg.): Interkulturelles Audience Development. Zukunftsstrategien für öffentlich geförderte Kultureinrichtungen. (Kultur- und Museumsmanagement). Bielefeld, S. 11–18.
- Mandel, Birgit/Redlberger, Melanie (Hrsg.) 2013: Interkulturelles Audience Development. Zukunftsstrategien für öffentlich geförderte Kultureinrichtungen. (Kultur- und Museumsmanagement). Bielefeld.
- Tyradellis, Daniel 2014: Müde Museen oder: wie Ausstellungen unser Denken verändern könnten. Hamburg.
- Westphal, Kristin 2014: The future will be confusing. Herausforderung für die Forschung zur Kulturellen und Ästhetischen Bildung. In: Westphal, Kristin (Hrsg.): Räume kultureller Bildung. Nationale und transnationale Perspektiven ; [… Beiträge … zur 4. Netzwerktagung Foschung Kulturelle Bildung …]. Weinheim, 1. Aufl, S. 20–33.