In Freiburg läuft das Bewilligungsverfahren um die Ethnologische Sammlung des Museum Natur und Mensch zu digitalisieren.
Schon zum dritten Mal läuft in Freiburg das Projekt Haushalt der Stadt Freiburg: Online-Beteiligung, dieses Mal im Vorfeld der Bewilligung des Doppelhaushalts 2017/2018. Bürgerinnen und Bürger können unter https://beteiligungshaushalt.freiburg.de/ Vorschläge einreichen sowie eingereichte Vorschläge per Kommentar diskutieren und ihre Zustimmung ausdrücken. Diskutieren kann man auch einige Vorschläge seitens der Verwaltung. Dazu gehört unter anderem der Vorschlag Mittel für die Digitalisierung der Ethnologischen Sammlung der Städtischen Museen Freiburg bereitzustellen.
Die Digitalisierung der Ethnologischen Sammlungen bedeutet nicht nur, dass die Objekte nach ihrem Umzug in das Zentrale Kunstdepot (ZKD) 2012 endlich ausgepackt, überprüft und fotografiert werden, um so die Datensätze in der museumsinternen Datenbank IMDAS zu erweitern, sondern auch eine öffentlich zugängliche Online-Datenbank aufzubauen, die der gesamten interessierten Öffentlichkeit – auch global – zur Verfügung steht.
Transparenz und Teilhabe
Hinter der Konzeption einer digitalen Sammlung stehen verschiedene Überlegungen. Die Freiburger Bevölkerung ebenso wie alle anderen Interessierten sollen am durch die Stadt Freiburg bewahrten Kulturerbe teilhaben können, auch wenn die Objekte gerade nicht ausgestellt sind. Außerdem sollen die Objekte überregionaler Bedeutung natürlich für Ausstellungen, Wissenschaft und Forschung zur Verfügung stehen. Sammlungstransparenz sowie Teilhabe und Partizipation sind grundlegende Themen im Diskurs um museale Sammlungen, der durch die Frage wie die Gesellschaft mit materiellem Erbe umgeht, geprägt wird. Die digitale Öffnung gilt so als „ein wesentlicher Schritt zur Modernisierung der Städtischen Museen Freiburg“ um nicht „ihre Relevanz als Wissens – und Kulturerbe-Archiv zu verlieren“.[1] Dies gilt natürlich nicht für die Ethnologische Sammlung allein, aber mit der öffentlich zugänglich digitalisierten Sammlung könnten die Städtischen Museen Vorreiter werden für die Ziele des baden-württembergischen Koalitionsvertrags von 2016 werden: dort ist das Thema Digitalisierung als Digitalisierungsoffensive DIGITAL@BW festgelegt.
Weltweiter Zugriff auf die Ethnologische Sammlung Freiburgs
Da die Sammlung aus allen Teilen der Erde stammt, sollen aber auch die Vertreter_innen der sogenannten Herkunftsgesellschaften und alle anderen, die die Sammlung interessiert, auf die Bestände und die passenden Informationen dazu zugreifen können. Die Mitarbeiter_innen der Städtischen Museen möchten so endlich der „öffentlichen, fachlichen und politischen Diskussion um Provenienzforschung, Rekonstruktion von Sammlungsbiografien aus kolonialen Zusammenhängen“ Rechnung tragen.[2] Denn erst die physische „Zugänglichkeit der Sammlung und eine darauf aufbauende Digitalisierung“ bilden so „das maßgebliche Fundament einer produktiven, zukunftsträchtigen und nachhaltigen Museumsarbeit“.[3] Bei dieser werden dann auch Kooperationen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den Herkunftsländern oder -gesellschaften möglich bzw. dass diese an den „geschichtlichen Zeugnissen der verschiedenen Kulturen teilhaben und diese zum Beispiel als Basis ihrer Forschungsarbeit nutzen können“.[4]
Die Gründe für eine sukzessive Digitalisierung der Bestände reichen also weit über die Grenzen Freiburgs hinaus und so soll ein deutsch- und englischsprachiger Katalog, der weltweit recherchierbar ist, dem Selbstverständnis ethnologischer Museumsarbeit entsprechen.
Bewahren und Erforschen
Die Öffnung zur Welt entspricht dann auch den Objekten und ihren Biographien, die auf unterschiedliche Weise nach Freiburg kamen. Viele der mehr als 20.000 Objekte wurden durch Freiburger_innen oder deren Kontakte, die sich im Ausland aufhielten, gesammelt und nach Freiburg geschickt, so zum Beispiel durch Eugen und Antonie Brandeis. Tina Brüderlin, Leiterin der Ethnologischen Sammlung an den Städtischen Museen, verweist auf das Selbstverständnis als „Caretaker“ also „Bewahrer“ der Objekte, von denen die meisten über die genannten Wege während der Gründungszeit der Museen in der Stadt um 1900 nach Freiburg kamen.[5]
In der Ethnologie als auch in der neueren Museumswissenschaft spricht man deswegen auch von „guardianship“ als Aufgabe eines Museums.
Man lenkt den Fokus so darauf, dass Objekte erforscht und bewahrt werden, die eine Geschichte vor der Zeit des Museums hatten und außerdem, wenn sie sich in einem öffentlich finanzierten Museum befinden, auch für die gesamte Bevölkerung zugänglich sein sollten. So wurde dies auch bereits 1986 in den „Ethischen Richtlinien für Museen von ICOM“ definiert.[6]
Aktueller Stand und Vorgehen
Momentan kann mit der Sammlung nur eingeschränkt gearbeitet werden, denn nur ein kleiner Teil der über 20.000 Objekte der Ethnologischen Sammlung konnten bisher ausgepackt und einer ersten Überprüfung unterzogen. Alle Objekte zu entpacken und zu sichern ist der erste Schritt um die Objekte physisch im Depot und digital verfügbar zu machen. Nur so können Tina Brüderlin und ihre Kolleg_innen die Objekte zukünftig sowohl für Ausstellungen in Freiburg aber auch für den Leihverkehr und Forschung nutzen. Andrerseits ist er aber auch aus konservatorischer Sicht notwendig um restauratorische Maßnahmen zu beschließen und durchzuführen, nachdem die Bestände ins ZKD und dessen optimale Bedingungen eingezogen sind. Circa 90 % sind noch verpackt und manche Stücke waren jahrzehntelang ungünstiger Lagerbedingungen ausgesetzt, sodass eine Schadensnahme und ein damit einhergehender Wertverlust nicht auszuschließen ist.
Mehr als 50% der bestehenden Daten konnten in den letzten Jahren in der digitalen Datenbank überprüft werden, aber diese müssen weiter aufbereitet werden, um die Datenbank öffentlich zugänglich und nutzbar zu machen.
Werden die Arbeitsschritte Entpacken, Aufarbeiten der Inventarisierung und Aufbereiten dieser Informationen für die Öffentlichkeit in Zukunft zusammen durchgeführt, bedeutet dies langfristig für die Sammlung eine Rückgewinnung ihrer Handlungskompetenz.
Doppelhaushalt 2017/2018 Projekt Ozeanien
Mit dem Doppelhaushalt 2017/2018 soll in einer ersten Projektphase der Sammlungsbestand aus Ozeanien mit rund 2.700 Objekten aufgearbeitet werden. Masken und Ritualobjekte, Schmuck, Waffen und Boots-Modelle sind einige Objektrubriken zu den hochkarätige Stücke zählen.
Auch „…[a]ngesichts der Klimaerwärmung sowie der damit einhergehenden Bedrohung der Kulturen der Inselstaaten im pazifischen Bereich“ steht dieser Bestand „besonders im Fokus“. Im Kontext der Bearbeitung „soll auch der möglicherweise koloniale Hintergrund der Sammlung aufgearbeitet werden“.[7] Dazu müsse unter anderem die Sammlungsobjekte die durch den bereits erwähnten Eugen Brandeis untersucht werden. 1901 hat er 275 Objekte aus Samoa und den Marshallinseln in die Bestände der Freiburger Sammlung eingebracht.[8]
Die Gelder sollen vor allem für zusätzliche personelle Ressourcen verwandt werden, die die Bearbeitung der Ethnologischen Sammlung im ZKD bedarf, um konsequent die Ozeanien-Sammlung zu bearbeiten, zu überprüfen und für eine öffentliche Datenbank vorzubereiten. Die Stadt käme so auch der ICOM Aufforderung aus den “Ethischen Richtlinien für Museen von ICOM” (1986) nach, die Zugänglichkeit zu den Sammlungen durch die Trägerschaft zu ermöglichen und so das Bewahren und der Erforschen der eigenen Sammlung als Kernaufgabe zu verstehen und zu fördern.
Wenn Sie das von der Verwaltung vorgeschlagene Vorhaben befürworten können Sie nach der Anmeldung im Portal des Beteiligungshaushalts (Link) unter diesem Link den Vorschlag für die Digitalisierung der Ethnologischen Sammlung „liken“ und kommentieren.
Vielen Dank!
Quellen:
[1] Stadt Freiburg/ von Stockhausen, Tillmannn: Beschluss-Vorlage: Erschließung und Digitalisierung der Ethnologischen Sammlung des Museums Natur und Mensch im zentralen Kunstdepot, https://ris.freiburg.de/vorlagen_details.php?vid=3302810100290 (pdf-Dokument: Vorlage), abgerufen am 18.01.2017.
[2] ebda.
[3] ebda.
[4] ebda.
[5] Im Gespräch mit der Autorin.
[6] Vgl. ICOM – Internationaler Museumsrat: ICOM Schweiz, ICOM Deutschland, ICOM Österreich (Hrsg.): Ethische Richtlinien für Museen von ICOM, Zürich 2010. http://www.icom-deutschland.de/client/media/364/icom_ethische_richtlinien_d_2010.pdf, abgerufen am 18.01.2017.
[7] Stadt Freiburg/ von Stockhausen, Tillmannn: Beschluss-Vorlage: Erschließung und Digitalisierung der Ethnologischen Sammlung des Museums Natur und Mensch im zentralen Kunstdepot, https://ris.freiburg.de/vorlagen_details.php?vid=3302810100290 (pdf-Dokument: Vorlage), abgerufen am 18.01.2017.
[8] Vgl. dazu z.B. Brüll, Margarete: Kolonialzeitliche Sammlungen aus dem Pazifik – Ethnografika im Adelhausermuseum als Freiburger Erbe des Kolonialismus, zuerst erschienen in: Stadt Freiburg/ Museum für Völkerkunde: Als Freiburg die Welt entdeckte. 100 Jahre Museum für Völkerkunde. Freiburg 1995. Abgerufen über http://www.freiburg-postkolonial.de/Seiten/Adelhauser-Bruell2.pdf am 18.01.2017.