Während am Morgen draußen der Schnee vom Himmel schwebt, begrüßt Prof. Schiewer, Rektor der Universität Freiburg, die Gäste zur Tagung #museonforscht – Museen und Universitäten. Orte des Wissens im Austausch. museOn, Bezeichnung für eine wissenschaftliche Online-Weiterbildung mit Netzwerk, wird nicht auf dem e, sondern auf dem o betont gesprochen – was klingt, als würde man eine Muse auffordern, sich einzuschalten („Muse, on!“). Die finanziell schwierige Lage im kulturellen Bereich ist zunächst Thema, ebenso wie die universitären Sammlungen, die fast keiner kenne, die quasi ungenutzt seien. Diese seien historisch aus Neugier, oder auch durch Zufälle entstanden und können auch dunkle Seiten der Geschichte widerspiegeln. Als Beispiel werden Schädel-Sammlungen aus dem 19. Jahrhundert aufgeführt, welche später im Project Slam nocheinmal auftauchen werden. Ausstellungen wie diese gehören, so Schiewer, aktuell unbedingt aufgearbeitet.
Als nächstes spricht der Oberbürgermeister der Stadt Freiburg, Dr. Salomon. Sein Fokus liegt darauf, Möglichkeiten zu erarbeiten, den in Baden Württemberg vorhandenen Reichtum an Erkenntnissen in die breite Öffentlichkeit zu tragen. Als Beispiel für eine Notwendigkeit kultureller Bildung werden die aktuellen fremdenfeindlichen Ereignisse von Claußnitz angeführt: Wissensvermittlung sei eine demokratische Aufgabe und das Aufarbeiten von Wissen werde immer wichtiger, betont Salomon. Der dritte Sprecher ist der wissenschaftliche Projektleiter von museOn, Dr. Wacker. Er freut sich über das große Interesse an der Konferenz – die volle Teilnehmerzahl wurde erreicht. Er stellt FRAMAS (die Freiburger Akademie für Museums-, Ausstellungs- und Sammlungswissen) und die Module von museOn genauer vor und erwähnt, dass 30 der geplanten Module bereits in der Planung abgeschlossen werden konnten. Die Panels der Tagung würden sich an diesen Modulthemen orientieren. Der Bereich der musealen Vermittlung würde, wie er sagt, eine eigene Tagung umfassen und in dieser aktuellen Veranstaltung daher ausgeklammert werden. Der Project Slam wird angekündigt, über dessen Gewinner das Publikum abstimmen wird.
Podiumsdiskussion mit Vertretern aus Forschung, Politik, Stiftung und Museen
Die Podiumsdiskussion wird vom Leiter der Klassischen Archäologie der Uni Freiburg, Prof. Dr. von den Hoff, dynamisch moderiert. Er berichtet einleitend von den unterschiedlichen historischen Wurzeln von Museen und Universitäten. Das Gemeinsame sei jedoch der Aspekt der Wissensgemeinschaft. Beide Institutionen seien im Alltag (leider) meist entfremdet, da sehr mit sich selbst beschäftigt und das Gegenüber kritisch beäugelnd. Die Gründe hierfür werden in Finanzierungsknappheit, immer breitere Öffentlichkeit (mehr Studenten an Universitäten, breitere Zielgruppen im Museum) und gleichzeitig permanenter Zwang zu mehr Innovationen gesehen. Ökonomisierung wird als bedeutendes Problem angeführt. Blockbusterausstellungen zur Besucherzahlensteigerung stünden den kritischen, unbequemen Ausstellungen entgegen und minderten die Qualität von Ausstellungen im Allgemeinen.
Als nächstes lobt die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Bundeslandes Baden Württemberg, Theresia Bauer MdL, den richtigen Zeitpunkt für eine Tagung wie diese. Sie knüpft an den Oberbürgermeister an und wiederholt, dass Wissen nicht nur an Eliten und Spezialisten weitergeben werden könne und “Orte des Nachdenkens geschaffen werden” sollen. Neben den ästhetischen ginge es immer auch gerade um emotionale Erlebnisse in Museen. Es hätte Gründe, weshalb Extremisten kulturelle Orte für Anschläge wählten: Diese seien gerade für Fundamentalisten gefährlich und für unsere Gesellschaft unverzichtbar. Sie erwähnt später noch, dass die Digitalisierung zwar wichtig sei, die Präsentation des Originals und somit der Besuch in Museumshäusern jedoch keineswegs durch etwa virtuelle Museen ersetzt werden könne.
Für die Universitäten spricht dann der Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts, Prof. Dr. Gehrke. Wissen generieren hieße in der Archäologie, dass ausgegrabene Objekte fachlicher und breiter Öffentlichkeit präsentiert würden – jedoch könne man genauso in Museen noch ungehobene Schätze „ausgraben“. Universitäten produzierten Wissen durch forschendes Lehren und Lernen; Museen hingegen seien der perfekte Ort, um Originale und Erklärung bereitzustellen. Er blicke optimistisch auf die Zusammenarbeit der Universitäten und Museen.
Der Generalsekretär der Volkswagenstiftung, Dr. Krull, greift die Ökonomisierung erneut auf, die Besuchersteigerung um jeden Preis. Probleme sei hier die Qualität, die sich in Fälschungen äußere, die zwar günstiger ausgestellt werden könnten, aber einen klar falschen Weg darstellten. Krull formulierte Ängste darüber, dass die besten Menschen aus Museen zu Professuren an den Universitäten abgezogen würden. Er fordert Post-Doc Modelle für Museen, damit diese Fachmenschen nicht abwanderten. Digitalisierung sei seiner Meinung nach in unterschiedlichen interaktiven Formen notwendig, um den Dornröschenschlaf der Universitätssammlungen zu beenden. Der Anreiz für Menschen ins Museum zu gehen läge in der Möglichkeit, sich vor Ort über Ausstellungen und Objekte auszutauschen. Ausstellungen böten dreifach Dialoge, nämlich zwischen den Objekten, zwischen Besuchern und Objekten und zwischen den Besuchern untereinander. Krull spricht auch über das nötige Abbauen von Berührungsängsten, wenn es um Aufdeckung von Raubkunstskandalen geht. Statt Forschung über Länder forderte er vermehrte Forschung mit den Ländern, wie beispielsweise Afrika. Leider fehlten dort aber Infrastrukturen, was den Prozess behinderte.
Die Direktorin des Museums der Kulturen Basel, Dr. Anna Schmid, hebt hervor, dass sie nicht für alle Museen sprechen kann, da es zu viele gibt und äußert sich zur Flüchtlingskrise dahingehend, dass Museen sich als “Institution der Langsamkeit” sähen und nicht in der Lage seien, schnell auf gesellschaftliche Umbrüche zu reagieren. Darum sollten sich in ihren Augen die Universitäten kümmern. Visuelles Erleben erklärt sie zu einem wichtigeren Aspekt, als etwa erklärende Texte in Ausstellungen. Als Krull von der Volkswagenstiftung einwirft, dass er gern Exponate haptisch erfassen wolle, hebt Schmid den Bewahrungsaspekt in den Vordergrund: Man kann ja nicht die eine Hälfte anfassen lassen und die andere nicht.
Es folgen rege Nachfragen aus dem Publikum. Sollen Universitäten mit ihren Sammlungen sich als Museen sehen? Universität als oder vs. Museum? Von den Hoff sieht Universitätssammlungen als Museen des Wissens, die aufzeigten, wie Wissenschaft zu sich selbst gefunden habe, jedoch nicht als echte Museen, da sie keine aktuelle Forschung betrieben. Auch Provenienzforschung wird diskutiert, mit einer Uneinigkeit ob bereits genug getan wird. Schmid meint dazu, dass es bisher dafür an Geld fehle, nur die juristischen Grundlagen bisher bestünden. Das Problem der mangelnden Zugänglichkeit im Depotbereich wird angerissen: Neue Museen zu eröffnen sei der Trend, statt einer Behandlung bisheriger Probleme. An diese Stelle komme ich beim Project Slam noch einmal kurz zurück.
Block I Panel B: Neu-ausrichten und neu-erfinden. Museen zwischen kultureller Bildung, Kreativwirtschaft und Kulturtourismus
Panel B des ersten Blocks befasst sich mit möglichen neuen Wegen der Museumsarbeit. Es sprechen, in sehr kanppen Beiträgen von nur 20 Minuten, drei Redner moderiert von Herrn Dr. Wacker. Dr. Conen spricht zuerst, sie ist diejenige, die das strategische Management im Kontext von Museen in den Fokus rückt. Sie stellt verschiedene Perspektiven zur Erfolgsmessung, jenseits der Besucherzahlen, anhand ihrer Arbeit am Jüdischen Museum in Berlin vor.
Dr. Dauschek, Leiterin der Planung des Museums Stadtmuseum Stuttgart, erzählt vom Aufbau des neuen Museums. Dieses werde als Neukonzeption in die ehemalige Stadtbibliothek einziehen. Überlegt werde, ob man ins Museum schauen können solle, oder nicht. Das Ringen um die „Durchlässigkeit“ sei auch in Form des Mediaguides sichtbar, der in die Stadt herausgetragen werden könne. Zielgruppe des neuen Museums seien alle Stuttgarter, was aber nicht realistisch sei. Zu wenig Menschen nutzen tatsächlich das Angebot von Museen. Alle müssten jedoch gemeint sein, da sie alle ja die Steuern zur Finanzierung zahlen. Solange das Haus noch nicht stehe, ist sie stolz darauf, dass wenigstens schon im Internet vieles zugänglich sei. So funktioniere das Stadtlabor (als Synonym für das traditionelle museumspädagogische Programm, in dem Kinder aktiv werden können) mit seinen Workshops für Kinder bereits sehr gut. Der Begriff des Museum müsse laut Dauschek mit etwas Neuem gefüllt werden, bei dem man nicht an „Staub“ denkt. Sie ist völlig von virtuellen Angeboten für Museen überzeugt, meint jedoch, dass das teure Haus sein muss, als Ort, an dem sich Menschen treffen, um über ihre Stadt sprechen zu können. Nur im Internet ginge das nicht.
Prof. Dr. Schneider, zuständig für die Kulturpolitik an der Universität Hildesheim, spricht in seinem Vortrag u.a. vom Bürgerrecht auf Kultur, verankert in den Menschenrechten und Kinderrechten. Und die ständigen Verstöße gegen diese Rechte, indem man die Kultur stets stiefmütterlich behandele, was die Investitionen angehe.
Block II Panel B: Digitalisieren. Möglichkeiten und Vorgehensweisen für Sammlungen und Forschung Nach der Mittagspause geht es um digitale Aspekte der Museen. Die Moderation übernimmt der Anekdoten versprühende Leiter des Sportmuseums Basel, Gregor Dill. Zunächst berichtet Barbara Fichtl, Leiterin der Digitalen Geschichte und IT am Herder Institut für historische Ostmitteleuropaforschung in Marburg, darüber, dass Datenbanken häufig vergessen würden und unterfinanziert seien. Das Problem sei, dass sehr unterschiedliche Sammlungsobjekte auf gleiche Weise in Datenbanken archiviert würden. Sehr wenig Standarisierung und viele unterschiedliche Systeme müssten dringend angegangen werden. Sie empfiehlt allen Museen die Arbeit mit dem Programm LIDO. Außerdem appelliert sie in ihrem Vortrag daran, kontrolliertes Vokabular über IDs ernstzunehmen, um einer Angleichung der Museen näherzukommen. Die Vorführung eines Videos zu Patrimonium.net mit 3D-Darstellungen der Datensätze zu rekonstruierten Ruinen – als eine Art virtuelles Museum – gefällt mir auch sehr gut. Nach einem Beitrag von Dr. Widmann zum Interreg-Projekt und digitalen Archiven am Oberrhein ist Tonya Nelson aus London an der Reihe. Sie stellt eine 3D-Digitalisierung von Objekten der Londoner Universitätssammlung vor. Diese können dann beim Museumsbesuch, in Verbindung mit dem Original, auf einem Tablett von allen Seiten betrachtet werden. So habe man sowohl weiterführende Informationen, als auch andere Interessenten um sich. Man lerne damit zwar nicht mehr, habe aber mehr Spaß am lernen. Die 3D-Scanner seien entsprechend teuer, aber eine Investition für die Zukunft und bei entsprechendem Bedarf sicherlich über Sponsoren finanzierbar. Nelson betont, dass Universitätssammlungen gut geeignet sind, um derartige Digitalisierungsmittel zu konzipieren, da an ihnen Studenten auch den Umgang mit Objekten statt ledglich Texten lernen.
Ein interessanter Konferenztag schließt mit einem Abendempfang im Augustinermuseum. Am Freitag geht es weiter im Programm!
Justyna Lubecka ist Gastbloggerin bei museOn. Sie betreibt den Blog kulturkuenste.de